So ein Mini-PC im Wohnzimmer um darüber beispielsweise via DVBViewer fern zu sehen oder via Netflix und Co. Filme sowie Serien schauen zu können ist schon etwas feines. In Kombi mit einer Fernbedienung ist man dem altgewohntem Komfort sehr nahe, wäre da nicht eine Sache.
Der klassische Computer lässt sich nicht per Fernbedienung einschalten. Bei Computern die am Netzwerkkabel hängen hätte man noch die Chance mittels Wake-on-LAN (WoL) etwas zu tüffteln, aber wenn’s “nur” WLAN ist was dann?
Den HTPC in den StandBy schicken wäre eine Option, allerdings nur wenn man mit dem mehr an Stromverbrauch leben kann und nicht das gesamte Equipment über Nacht stromslos geschaltet wird. Computer bzw. Mainboards die Wake-on-RC (Remote Control, also Fernbedienung) unterstützen gibt es nicht allzuviele. Via Wake-on-USB wäre eine Option, allerdings streikt so manches USB-Gerät wenn die Spannung nicht stimmt.
Eine universelle Lösung, die schlicht den Druck auf die Power-Taste simuliert findet sich in einer kleinen Zusatzplatine von atric in Form des IR-WakeupUSB eco.
Die Vorteile bestehen darin, das die Platine Mainboard/PC-unabhängig und auch nicht auf ein bestimmtes Betriebssystem angewiesen ist. Da die Platine selbst einen Infrarort-Empfänger mitbringt ersetzt sie ggf. vorhandene externe per USB angebundene Empfänger. Die Software steht übrigens für Windows und (Debian) Linux zur Verfügung.
Im Zuge meines “ich bau’ aus einem ehemaligen 19″ Askozia Telephony Server einen HTPC” kommt dieses kleine Stück Technik zum Einsatz.
Lieferumfang und Einbau
Im Lieferumfang ist alles notwendige enthalten:
Nicht auf dem Bild zu sehen sind die mitgelieferten Kabel sowie eine CD mit Programmen sowie Anleitungen. Je nach PC/Mainboard ist der Einbau einfach. Dank der vorhandenen Bohrungen lässt sich die Platine beispielsweise auf einem Abstandsbolzen montieren. In meinem Projekt wurde auf die Schnelle im vorhandenen Freiraum die Installation vorgenommen.
Es ist alles gut dokumentiert und die mitgeliefertem Kabel dürften für die Durchschnittsanwendung ausreichend sein. In meinem Fall sind sie alle samt zu lang, das liegt natürlich an der kompakten Bauform des HTPC.
Die Sache mit der Spannungsversorgung
Der IR-WakeupUSB benötigt eine 5V-Spannungsversorgung und zwar durchgängig, sonst ist kein Einschalten mittels Fernbedienung möglich. Je nach Mainboard bzw. Netzteil liegen 5V an einem USB-Anschluss dauerhaft an (Stichwort: Aufladen von Geräten, auch wenn der Computer heruntergefahren ist) oder finden sich irgendwo auf dem Mainboard. Dieses Glück hatte ich allerdings nicht. Sicher gibt es irgendwo auf dem Mainboard eine 5V Standby-Spannung, allerdings wollte ich nicht lange suchen und schon gar nicht direkt auf dem Mainboard löten. Dank des freien Spannungsversorgungsanschlusses, des vom Original-Netzteil übrig gebliebenen Kabels (sw/ge) und eines kleinen Spannungsreglers (links im Bild neben dem atric) der von Raspi-Basteleleien über war konnte dies gelöst werden.
Der IR-WakeupUSB ist sowohl für die Versorgung via USB als auch von extern vorgesehen. Ein Anschluss ist vorhanden, ein Kabel liegt bei und es muss lediglich ein Jumper anders gesetzt werden.
Software
Ist die Hardware soweit angeschlossen geht es direkt mit der Software weiter. Der IR-WakeupUSB meldet sich als “Serielles USB-Gerät” beim System, daraus ergibt sich, das man einen Umweg gehen muss, wenn man seine Fernbedienung verwenden möchte. Dazu gleich mehr. Unter Windows 10 ist keine händische Treiberinstalltion notwendig.
Damit die Fernbedienung verwendet werden kann, muss die Konfigurationssoftware installiert werden. Nach deren Start wählt man zunächst seine Fernbedienung aus:
Wird die Fernbedienung unterstützt, kann mittels eines Klicks auf “Online suchen” ein passendes Profil ausgewählt werden. In meinem Fall handelt es sich um eine Hauppauge RC6. Seit dem Einsatz von Atric weiß ich nun, das diese von Philips gebaut wird.
Nach einem Klick auf “PC ein-/ausschalten” lässt sich einstellen, ob der PC mit der Fernbedienung eingeschaltet werden kann:
Zuerst klickt man auf “Hinzufügen” und drückt die gewünschte Taste auf der Fernbedienung. Als nächstes legt man fest ob mit dieser Taste ein- und/oder ausgeschaltet wird.
Warum kein aktiviertes “Ausschalten”?
Windows-seitig wird dieser Tastendruck dann wie ein normaler Druck auf die Power-Taste des PCs gewertet. D.h. je nachdem welche Aktion eingestellt ist, fährt der Computer herunter oder geht in den Standby. Darüber hinaus kann das Herunterfahren auf diese Art durch laufende Programme aufgehalten werden. Das geht besser, wie man weiter unten sehen wird.
Uhrzeit und Timer
IR-WakeupUSB kann noch mehr. Stellt man die Uhrzeit im Modul ein lassen sich Einschaltzeiten festlegen, d.h. der Computer startet dann immer zur gewünchten Zeit.
Aber Achtung: Das Modul hat keine Pufferung, d.h. nach einem Stromausfall ist die Uhrzeit zurückgesetzt!
Die Fernbedienung verwenden
Soweit die Grundeinrichtung. Damit man nun die Fernbedienung mit verschiedenen Programmen nutzen kann, muss man wie weiter oben bereits erwähnt einen Umweg gehen. Da der IR-WakeupUSB nicht als USB-Infrarot-Empfänger angemeldet ist, funktionieren z.B. MCE-kompatible Anwendungen nicht direkt. Damit man dennoch z.B. Media Player, DVBViewer und weitere steuern kann empfehlen die Macher hierzu den Einsatz von EventGhost.
Die Sache lässt sich dann recht schnell und einfach gemäss der Dokumentation einrichten. Also EventGhost installieren, das Atric-Plugin hinzufügen und dann beispielsweise DVBViewer und /oder Windows steuern.
Man muss die Tasten anlernen. Dies geht sehr einfach, in dem man die gewünschte Taste drückt und dann den Code von links nach rechts zur Funktion schiebt.
Das Ganze ist sehr mächtig und nicht auf ein Programm beschränkt. Im Screenshot sieht man beispielsweise die Steuerung der Lautstärke und zwar von Windows und nicht von DVBViewer.
Tipps und Tricks
Uhrzeit automatisch synchronisieren
Damit die Uhrzeit des Atric IR-WakeupUSB möglichst aktuell bleibt, lässt sich beispielweise im Autostart oder als Aufgabe ein Abgleich einrichten. Aber Achtung: Da die serielle Verbindung immer nur von einem Programm gleichzeitig verwendet werden kann, muss die Reihenfolge stimmen. Mein Startskript sieht z.B. so aus:
@echo off title Autostart rem Datum und Uhrzeit des Atric IR-WakeupUSB synchronisieren irwakeup.exe -synctime > SyncTime.log rem EventGhost starten start /d "C:\Program Files (x86)\EventGhost" EventGhost.exe -h -e OnInitAfterBoot
Also erst die Uhrzeit synchronisieren, dann EventGhost starten. Ich lasse bewusst die Ausgabe des Atric-Kommandozeilen-Tools in ein Protokoll schreiben, um ggf. prüfen zu können, ob das Ganze geklappt hat. Die Ausgabe sieht so aus:
Datum und Uhrzeit wurden auf 03.02.20 07:35:34 gestellt.
Herunterfahren erzwingen
Erste Tests haben gezeigt, das zwar das Herunterfahren mit den Atric-eigenen Mitteln funktionieren kann, aber mitunter am DVBViewer hängen bleibt. Als besserer Weg hat sich bis jetzt herausgestellt, das Herunterfahren mittels EventGhost zu erzwingen:
Unterschiedliche Programme gegeneinander verriegeln / Tasten mehrfach belegen
Nicht wünschenswert ist, das mehrere Programme gleichzeitig eine Medienwiedergabe machen. Daher ist es sinnvoll diese gegeneinander zu verriegeln, soll heißen: Entweder es läuft das eine oder das andere Programm. Bei uns geht es dabei um DVBViewer und die Netflix-App. Beide lassen sich bei uns über die farbigen Tasten (rot für Netflix, gelb für DVBViewer) starten.
Kurz erklärt: Startet man die Netflix-App wird der DVBViewer beendet und das Plugin deaktiviert. Letzteres ist notwendig, damit Tasten die für DVBViewer und weiteres angelernt sind nicht den DVBViewer neustarten, nachdem sie betätigt wurden.
Um die Netflix-App beenden zu können wird auf den Trick mit dem Fenster-Namen zurückgegriffen. Windows-Apps lassen sich nicht so leicht ansprechen wie manch klassische Anwendung. Erkennbar ist das bereits an dem Startaufruf für Netflix.
Schwuppdizität verbessern
Was mich aktuell noch stört ist die Reaktionsfreudigkeit. Besserung verspricht das Heruntersetzen des “Tasten-Pausen”-Werts. Ab Werk steht dieser auf 200 ms. In den Details der Fernbedienung kann der Wert geändert werden. Bitte das Update vom 26.08.2020 beachten!
Fazit
Soweit der aktuelle Stand vom vergangenem Wochenende. Da ist noch Luft nach oben. Ich muss gestehen, aus dem anfänglichem Schreck, das die Sache nun komplexer wird, hat sich mittlerweile eher Begeisterung entwickelt, bietet EventGhost nun weit mehr Möglichkeiten.
Was noch nicht so recht will ist die Maus via Fernbedienung zu steuern. Vermutlich sind dazu die Pfeiltasten bzw. die vorhandene Fernbedienung nur bedingt geeignet. Leider lässt sich die Netflix-App nicht wirklich mit Tasten steuern. Mit Glück funktioniert wenigstens das Scrollen. Eine Auswahl eines Films bzw. einer Serie oder solche Dinge wie Vollbild klappen ohne Maus nicht.
Quellen:
Intel Support – Die Intel® NUC wird von der Fernsteuerung oder dem USB-Gerät nicht aktiviert
Kodinerds – PC per Fernbedienung starten ?
HarmonyRemoteForum – Pc via IR An bzw. Aus schalten…
Update 08.02.2020
Kleiner Hinweis zum gegenseitigen Verriegeln der Anwendungen:
Die Funktion “Finde Fenster” ist per Vorgabe so konfiguriert, das sie das Makro stoppt, wenn das entsprechende Fenster nicht gefunden wird. Läuft nun wie in meinem Beispiel vorher nicht die Netflix-App gibt es ergo kein entsprechendes Fenster. Versucht man so dann den DVBViewer zu starten, wird dies bei “Finde Fenster” sozusagen abgebrochen.
Das Verhalten von “Finde Fenster” kann einfach geändert werden. Schlicht doppelt anklicken und auf der Registerkarte “Settings” den Haken entfernen bei “Stoppe Makro wenn Ziel nicht gefunden”:
Update 26.08.2020
Mit Firmware 2.1 und Version 1.5 der atric-Software hat sich dank der Überarbeitung der Tasten-Anschlagserkennung die Reaktionsfreudigkeit der Fernbedienung stark verbessert. Sogar mit den Standard-Einstellungen fühlt es sich nun eher an wie bei einem klassischen HiFi-/TV-Gerät. Zudem gibt es nun hinter der Schaltflache “Tasten-Wiederholung” mehr Einstellungsmöglichkeiten:
Update 06.09.2020
Vermutlich hängt es mit dem letzten atric-Update (s.o.) zusammen, es kam die letzten Tagen allerdings mehrfach vor, das mit dem bisherigen Autostart-Skript EventGhost den IR-Empfänger nicht initialisieren konnte. Offenbar hilft es eine kleine Pause zwischen Zeitabgleich und EventGhost-Start zu machen:
@echo off title Autostart rem Datum und Uhrzeit des Atric IR-WakeupUSB synchronisieren irwakeup.exe -synctime > SyncTime.log rem Kurze Pause timeout /t 5 rem EventGhost starten start /d "C:\Program Files (x86)\EventGhost" EventGhost.exe -h -e OnInitAfterBoot
Update 27.06.2022
Mittlerweile wurde das Ganze auf performantere Hardware und Windows 11 Pro umgezogen. Soweit wie ich es bis dato beurteilen kann funktioniert nach wie vor alles wie gehabt. Bei dieser Gelegenheit wurde das “Autostart”-Skript überarbeitet, die Pause fällt weg, dafür kommt mehr “start” zum Einsatz. Bis jetzt funktioniert das gut und zudem etwas schneller:
@echo off title Autostart rem Datum und Uhrzeit des Atric IR-WakeupUSB synchronisieren start /b /wait /d "C:\Skripte" irwakeup.exe -synctime > SyncTime.log rem EventGhost starten start /d "C:\Program Files (x86)\EventGhost" EventGhost.exe -h -e OnInitAfterBoot
Wichtig ist für den Atric-Teil das unbedingt (!) “start /b” angegeben wird, sonst startet eine neue bzw. weitere Eingabeaufforderung und in der die Zeit-Synchronisation läuft während parallel dazu das “Autostart”-Skript weiter läuft und EventGhost gestartet wird. In Folge funktioniert dann die Fernbedienung nicht.
Verheiratet, Vater von zwei Kindern, eines an der Hand, eines im Herzen. Schon immer Technik-Freund, seit 2001 in der IT tätig und seit über 10 Jahren begeisterter Blogger. Mit meiner Firma IT-Service Weber kümmern wir uns um alle IT-Belange von gewerblichen Kunden und unterstützen zusätzlich sowohl Partner als auch Kollegen.
Hi
Hast du das Problem mit dem bedienen von Netflix bzw. Maus per Fernbedienung bedienen noch lösen können?
Viele Grüße
Nein